19. Jahrhundert

 

BAYERISCHE HERRSCHAFT

 

Die Gerichtsgemeinde Eppan hatte in den Befreiungskriegen 1797-1813 mit der Mannschaft von drei Schützenkompanien teilgenommen und sich treu und tapfer eingesetzt.

Als nach dem Anschluss Tirols an Bayern im Frieden von Pressburg (30. Dezember 1805) die beiden von den Tiroler Landständen abgesandten Deputierten, Graf Carneri und Richter Tschidrer mit vielen freundlichen Zusicherungen im Jänner 1806 aus München zurückkehrten, war Tirol mitten in die vom bayerischen Minister Montgelas eingeleitete Umstrukturierung des bayerischen Staates hineingeraten. In diesen Umbruch wurde auch Tirol miteinbezogen. Die Zusicherungen, die Graf Carneri und Tschidrer mitbrachten, hatten ganz falsche Hoffnungen geweckt. Carneri besaß in Frangart den Steinhof, den Johann Lorenz Brigl in der napoleonischen Zeit verwaltete. Schon mit der Organisation des Gerichtswesens eckte die bayerische Regierung schwer an. Die beiden Gerichte Altenburg und Hocheppan wurden zum Landgericht Bozen geschlagen und dessen Bestandteil.
Die Neuordnung des Gerichts- und Steuerwesens, z. B. wurde Eppan gerichtlich zu Bozen, steuerlich zum Rentamt Tramin geschlagen, die Aufhebung der ständischen Landesverfassung, die verwaltungsmäßige Einteilung des Landes in Inn-, Etsch- und Eisackkreis, nach französischem Vorbild der Wassereinzugsgebiete und -scheiden, wodurch der alte Landesname Tirol überflüssig wurde, die Einführung des Militärdienstes und der Kopfsteuer zur Be¬zahlung der in Tirol stationierten bayerischen Soldaten, aber noch mehr die Eingriffe in Kirchendinge erbosten die Bevölkerung.
Die Aufhebung von Klöstern, besonders der Kapuzinerklöster verletzten zutiefst die religiösen Gefühle der Tiroler.
Der Tiroler Freiheitskampf wurde auch von der Gerichtsgemeinde Eppan mitgetragen. Die drei Schützenkompanien von St. Pauls, St. Michael und Girlan, die gemeinsam in Stärke von 248 Mann ausgerückt waren, wurden am 9. Mai 1809, nach rund einem Monat Einsatz in vorderster Front und Feindfühlung, mit Order von Andreas Hofer unterschrieben, nach Hause entlassen. So steht es im Marschbefehl Andreas Hofers, Kommandant von Passeier, für die 248 Mann starke Schützenkompanie Eppan (242 + 6 Offiziere), datiert Trient, den 9. Mai 1809. Sie stand über einen Monat im Einsatz. Bereits am 9. April 1809 hatte der Richter Hellrigl von Altenburg-Eppan zur Verpflegung ein Paar Ochsen nachschicken lassen. Andreas Hofer, der besonders guter Laune war, bewilligte noch dazu auf dem Marschbefehl zwei Pferde und eine Kalesche.
Kurz vorher vom Hauptquartier der k. k. Intendantur in Lavis erteilte Dalle Mule am 8. Mai 1809 der Schützenkompanie Eppan den Einsatzbefehl zum Vorrücken auf die San-Lorenzo-Brücke und auf Serravalle. Bei diesen Operationen zeigten die Schützen unter Hauptmann Aldobrand von Stanchina Tapferkeit, Klugheit und Hilfsbereitschaft. Die Schützenkompanie hatte als Fourier und Kompanieschreiber Josef Canton, als Büchsenmacher Peter Klammer, als Chyrurg Anton Rafainer und als Ordonanz Roman Markardt. Am 10. Mai war die Schützenkompanie wieder in Eppan. In den folgenden Monaten, als die Gerichtskassa in Eppan leer war, wurden durch Anleihen die Mittel für Besoldung, Ausrüstung und Verpflegung beschafft, wie aus dem Tagebuch des Gerichtskassiers Johann Lorenz Brigl hervorgeht. Noch am 3. Oktober, als das Wimmen vor der Tür stand und die Schützen der Weinbaugebiete immer mehr zur Traubenernte nach Hause drängten und knallhart forderten, dass die Schützenkompanien aus den Tälern und von den Bergen, wo die Ernte schon eingebracht sei, sie ablösen sollten, rückte die Schützenkompanie unter Hauptmann Johann Niedermayr trotzdem aus. Immer wieder bis Ende Oktober 1809 folgten auch die Eppaner Schützen dem Rufe des Oberkommandanten. Der Landrichter Hellrigl, der Gerichtskassier Johann Brigl sorgten für Ausrüstung, Sold und Ver¬pflegung der ausrückenden Kompanien. Am 1. November 1809 beschlossen zu Bozen die Gerichte, die Waffen niederzulegen, bei diesem Beschlüsse die Gerichte Kaltern-Laimburg und Altenburg-Hocheppan auch verbleiben.
Am 7. November 1809 besetzten französische Truppen die wichtige Sigmundskroner Brücke. So teilten die Frangartner1809 mit anderen Ortschaften des Überetsch die Einquartierung von Freund und Feind, aber noch mehr die Plünderungen und Exzesse wegen der nahen Sigmundskroner Brücke. Der Carnerihof und der Bernhardhof wurden dabei in arge Mitleidenschaft gezogen, besonders im Endabschnitt des Tiroler Freiheitskampfes. In der Nacht zum 7. November 1809 besetzten 400 Franzosen Frangart und die Sigmundskroner Brücke und es beginnen die Requirierungen. Am 8. Nov. erfolgte bei Frangart die merkwürdige Begegnung der Eppaner Deputation, geleitet vom Gerichtspfleger und Herrn von Mörl u. a. mit dem französischen General Vial. Bis zum 17. Nov. erfolgen ständig Truppenbewegungen im Räume Überetsch und Requirierungen von Wein, Stroh und Fleisch. Am 17. November quartiert sich das italienische Jägerbataillon Nr. 1 im Carnerihaus ein, während die Höhen um Frangart von Völlaner, Tisner und Vinschgauer Schützenkompanien besetzt waren. Am 22. Nov. wurde das 1. Bataillon von Frangart abgezogen und durch eine Kompanie Dalmatiner ersetzt, die ebenfalls im Carnerihaus einquartiert war und von der Bevölkerung mit Fleisch, Wein und Brot verpflegt werden musste, die Offiziere allerdings mit Enten und Hühnern. Der Abzug der französischen Truppen setzt am 18. Dezember ein und am 20. Dezember 1809 ist das Carnerihaus wieder frei. Unter allen Häusern in Frangart hatte der Carnerihof durch Einquartierungen am meisten gelitten, zum Heizen riss man nämlich die Holzböden heraus. Der Hof hieß vor alters Stainhof. Der Friede von Schönbrunn vom 14. Oktober 1809 hatte die Dreiteilung Tirols besiegelt. Der nördliche und mittlere Teil blieb bei Bayern. Die Grenze ging vom Gampenpaß-Mölten-Rittner Horn-Kollmann zum Schlern unter Einbeziehung der Wasserläufe der Gegend. Der südliche Teil wurde zum Dipartimento dell‘ Alto Adige zusammengeschlossen. Das Dipartimento gehörte zum napoleonischen Königreich Italien. Das Sextner Tal und Toblach kamen zum Dipartimento del Piave und das östliche Pustertal kam zu den Illyrischen Provinzen.

 

 

FOLGEN DER DREITEILUNG TIROLS

 

DIE GEBURT DER POLITISCHEN GEMEINDE EPPAN

 

Mit der neuerlichen Reorganisation der Gerichte und Gemeinden wurde im August 1810 Eppan als Gemeinde zweiter Klasse mit Sitz der Gemeindeverwaltung in St. Michael als Hauptort, damals schon vom Volke auch mit Eppan bezeichnet, ausgewiesen und in Gerichtssachen mit dem neuerrichteten Friedensgericht Kaltern vereinigt.
Als Gemeinde mit über 3000 Einwohnern, und daher zweiter Klasse eingestuft, hatte Eppan Anspruch auf einen Podestä, drei Savi und insgesamt auf 30 Gemeinderäte. In den Gemeinden 1. und 2. Klasse konnte nur ein Savio die Funktion eines Standesbeamten ausüben.

 

 

AUFBAU DER VERWALTUNG

 

Das Dipartimento war in fünf Unterpräfekturen eingeteilt: Trient, Cles, Rovereto, Riva und Bozen. Trient mit einem Präfekten war Mittelpunkt der Zivilverwaltung. Die Unterpräfekturen übten eine den Kreisämtern ähnliche Beratungs- und Überwachungsfunktion aus.
Aber der Präfekt Smancini und der in Bozen amtierende Vizepräfekt Baldasseroni waren gewiegte und geschulte Verwaltungsfachleute, die rasch eine vollkommen effiziente Verwaltung im Dipartimento aufbauten. Sie brachten aus der Lombardei und dem Veneto geschultes Verwaltungspersonal mit, mit welchem das ausscheidende Personal der bayerischen Verwaltung ersetzt wurde. Der Vorgang vollzog sich rasch und gründlich. Als Amtssprache im Verkehr mit den Ämtern wird italienisch eingeführt, dagegen sich anfänglich die Ortsbehörden des Distrikts Bozen sträuben und in geharnischten Briefen fordern, deutsch verwenden zu dürfen. Nicht nur die Ämter, sondern auch der Bürger muss die Eingaben an die Vizepräfekturin italienischer Sprache machen. Sie werden dabei von den Beamten der Gemeindekanzleien unterstützt, sonst müssen sie sich an beeidete Übersetzer des Distrikts Bozen wenden.
Die Standesämter und die Notariate mussten italienisch geführt werden, ebenso die Steuerämter. Nach einem gewissen Anlauf sind die Steuervorschreibungen und Quittungen nur noch italienisch. Zum Deutschunterricht in der Volksschule werden seit 1811 Italienischstunden eingeführt und in Eppan vom Kaplan von St. Michael, Nicolö Tecini gehalten, „damit die Bevölkerung mit den Behörden direkt verkehren, die Gesetze lesen und verstehen und Eingaben machen könne“. Es waren somit praktische Erwägungen ausschlaggebend. In der Toponomastik wurde bei vorhandener doppelter Bezeichnung die italienische Fassung amtlich. Eppan aber blieb Eppan, da keine italienische Bezeichnung vorhanden war. An Stelle von Gulden und Kreuzer wurde 1810 die Lirawährung eingeführt. Die Taufnamen mussten in den öffentlichen Akten italienisch eingetragen werden. Die alten Adelstitel wurden abgeschafft. Sie konnten aber dem Inhaber auf Antrag als bayerische in München bzw. als italienische in Mailand, Sitz des Königreiches Italien, wieder verliehen werden.
Die schriftlichen Proteste des Sindaco Karl von Schasser in Kaltern und des Podestä Johann von Call in Eppan fruchteten nichts, vielmehr wird vom Vizepräfekten Baldasseroni auf die strikte Einhaltung der Verfügung am 7. Oktober 1810 nochmals hingewiesen.
Mit der Ernennung Ende August des Podestä Johann von Call beginnt die Verwaltung der politischen Gemeinde Eppan.
Die Amtsdauer des Podestä war drei Jahre, während jene des Sindaco ein Jahr betrug. Bei Abwesenheit des Podestä vertrat ihn ein Savio. Vom Gemeinderat sollte jährlich ein Fünftel in Rotation erneuert werden. Dasselbe gilt auch vom Rat der Dreißig in Trient als beratendes Organ des Präfekten, dem fünf Südtiroler angehörten, darunter Johann Brigl von Girlan, der Bürgermeister von Remich in Bozen, Graf Thunn usw.
Die Vizepräfektur in Bozen war bestrebt, vor allem die führenden Köpfe und Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Handel sowie jene, die sich in den Befreiungskriegen durch Führergaben und Ausgeglichenheit ausgezeichnet hatten, in die öffentliche Verwaltung einzubauen.

 

 

DESERTEURE

 

In dieser Zeit kamen von den großen Kriegsschauplätzen die verwirrendsten Nachrichten, die schon österreichische Truppen in Bozen sehen ließen. Die Truppenbewegungen durch das Etsch- und Eisacktal, fremde Deserteure, die eigenen jungen Burschen, die sich in den Höhlen und Wäldern um Eppan und Kaltern vor dem Einrücken versteckt hielten, die Häufung von nächtlichem Mundraub dieser Flüchtlinge, so dass sogar der Pfarrer Eisenstecken 20 Lire zur Ergreifung der Diebe, die seinen Hühnerstall geplündert hatten, in die Gemeindekassa einzahlte, erhöhten die Unsicherheit in der Bevölkerung. Auch das Beruhigungsschreiben des Vizepräfekten Filos vom 24. 8.1813 verfehlte den Zweck. Bereits im März 1813 wird die Guardia Nazionale Civica zum Streifendienst eingesetzt und mit Gewehren und Munition durch die kgl. Gendarmerie in Kaltern ausgerüstet.
Beim Streifgang vom 31. März 1813 wurden drei flüchtige Kavalleristen verwundet, einer davon tödlich. Für die zwei lebend abgelieferten Deserteure bekam die Gemeindestreife die vorgesehene Belohnung von 100 Lire in Hartgeld. Damals war der Kriegsminister in Mailand nicht mehr in der Lage, die anfallenden Rechnungen den Gläubigern zu bezahlen. Seit April 1813 erhielten die Gemeinden nur noch Staatsscheine del Monte Napoleone. Die Bürgermeister weigerten sich entschieden, diese Staatspapiere an Stelle von Geld anzunehmen. Auch in Kaltern hatte sich ein ähnlicher Fall mit tödlichem Ausgang bei der Verhaftung eines Deserteurs ereignet. In beiden Fällen wurden die Ergebnisse der Untersuchung im Dienstwege weitergeleitet. Am 2. Juni 1813 entschied der Justizminister in Mailand, „die Prozesse gegen die Gardisten Pernstich und Werth, Totschläger der beiden Deserteure in den Gemeinden Kaltern und Eppan, haben nicht stattzufinden.“ Das Verfahren wurde somit niedergeschlagen.

 

 

MUSTERUNG UND MILITÄRDIENST

 

Trotz dieser gespannten Lage im Lande wurden die Musterungen und Aushebungen mit großem Aufwand an Publizität weitergeführt. Am 29. April 1813 fand die Musterung statt und kostete der Gemeinde 21 Lire 94 Centesimi 2 Millesimi. Das Los zogen, deshalb sagt man heute noch „Leaslbuben“ für tauglich: Mayr Johann Wohlgemuth Johann Schweizer Josef Janisch Anton Oberhofer Johann Walcher Tatz Huber Bertignol.
Die Musterung erfolgte im Gastlokal beim Rößlwirt in Kaltern. Die Musterungskommission setzte sich aus folgenden Herren zusammen: Josef Unterrichter, Delegierter Johann Call, Podestä von Eppan Franz Brigl, Savio Josef Brigl, Savio, Georg Eisenstecken, Pfarrer von St. Pauls Abis Sagburg, Pfarrer von Girlan Nicolö Tecini, Kaplan zu St. Michael Francesco Balzaretti, Brigadier der kgl. Gendarmerie in Kaltern.
Die Anzahl der Tauglichen wurde anhand der Bevölkerung berechnet. Aus den Listen ergibt sich, dass die Gemeinde Eppan folgende Bevölkerung während der napoleonischen Herrschaft aufweist:
1811: 3450;
1812: 3397;
1813: 3443;
1814 (angesetzt): 3623.
Im besonderen für 1813: St. Michael-Pigeno-Kreuzweg-Montiggl: 1303
St. Pauls-Berg-Perdonig-Missian und Unterrain: 1300
Girlan-Schreckbichl-Frangart: 840
Totalsumme: 3443
Damals betrug die Dienstzeit beim Militär 5 Jahre. Die Ausbildung erfolgte bei den kgl. Regimentern im oberitalienischen Raum, oder die Rekruten wurden zu den „Etrangeres“ auf der Insel Elba gesteckt. Die größten Verluste an Verwundeten, Vermissten und Gefallenen hatte die Gemeinde Eppan im Russlandfeldzug 1812. Auch diese Eppaner starben für ihre Heimat.

 

 

LOKALKOLORIT BEIM LEASLZIEHEN

 

Die 28 Eppaner Leaslbuben ließen sich bei der Musterung in Kaltern besonders gut gehen und lebten in den Tag hinein wie der Herrgott in Frankreich, wie die gesalzene Rechnung des Rößlwirtes von Kaltern, Michael Franzelin, vom 18. Oktober 1810 zeigt. 1 In Eppan hatten die Musikanten aufgespielt und um 4 Gulden 48 Kreuzer an Brot und Wein bei der Wirtin Katharina Brenner verzehrt. In drei Kutschen fuhren sie dann zur Musterung nach Kaltern, wo sie an Suppen, Parmesankäse, Salami, Hennen, Leber, Kalbsköpfen, Schnepfen, Fischen, verschiedenen Fleisch¬speisen, Salaten, Torten, Obst, Weintrauben, Zitronen, Wein, Brot u. a. um 69 Gulden 47 Kreuzer konsumierten. Für Kutscher und Pferde wurden 19 Gulden 51 Kreuzer in Rechnung gestellt. Insgesamt belief sich die Rechnung beim Rößlwirt auf 89 Gulden 38 Kreuzer. Die neuen französischen Landesherren wollten die Zwangsrekrutierungen mit Musik und gutem Essen geschmacksvoller machen. Später werden die Renitenten immer zahlreicher, obwohl bei jeder Musterung auf Anordnung des Vizepräfekten von Bozen, Francesco Fillos, die 12 Paulsner Musikanten für Stimmung zu sorgen hatten.

 

 

ENDE DER FRANZÖSISCHEN HERRSCHAFT

 

Die Gerüchte und die als faule Zeitungsenten abgetane Flüsterpropaganda aus dem Monat August waren Wirklichkeit geworden. Am 11. Oktober 1813 zogen die österreichischen Truppen mit den Schützen unter großem Jubel und Glockengeläute in Bozen ein. Im Gefolge kam auch der k.k. Oberlandeskommissar von Roschmann. Die italienische Zivilverwaltung und das Militär setzten sich eiligst unter Scharmützeln auf Trient ab und wurden anschließend außer Landes vertrieben. Was Eppan und Kaltern betrifft, ist ein Aufruf vom 12. Oktober 1813 erhalten, mit welchem der Schützenhauptmann Le Feune in beiden Gemeinden die sofortige Aufstellung von Schützenkompanien betreibt. Dieses einmalige handgeschriebene Dokument zur Zeitgeschichte hat den rückseitigen Vermerk: Circulare – An Herrn Bürgermeister zu St. Michael-Kaltern. Schleunigst.
Das Schreiben langte am 13. ds. um 81/2 Uhr in Kaltern ein. Le Feune hatte dann die Freiwilligen zu Schützenkompanien in Tramin zusammengezogen, wo er einige Zeit sich aufhielt. Roschmann enttäuschte die Bevölkerung, weil er verfügte, dass die italienische Zivilverwaltung und die italienische Gesetzgebung mit geringen Eingriffen, z.B. wurde die verhasste Kopfsteuer gleich abgeschafft, beibehalten bleiben solle, solange kein Friedensvertrag über das Schicksal des befreiten, aber militärisch besetzten Gebietes nicht entschieden hatte.

 

 

VEREINIGUNG MIT TIROL

 

Erst mit kaiserlicher Entscheidung vom 7. April 1815 wurde das Gebiet des Dipartimento dell‘ Alto Adige wieder mit Tirol vereinigt und der Tag der Vereinigung gefeiert. Im Jahre 1816 wurde die neue Landesverfassung erlassen.

Nach den Kriegsjahren 1796 -1814 und der Wiedervereinigung mit Österreich wurde im Jahre 1816 die Zwangsrekrutierung eingeführt, das war eine Aushebung zum aktiven Militärdienst bis zu 10 Jahren, wobei es noch Vorrechte gab, z. B. konnte ein Bauer auf eigene Kosten einen Ersatzmann stellen. Bei den Aufgeboten der Eppaner Schützen vom Jahre 1848, 1859 und 1866 macht kaum jemand Gebrauch davon.
Aufgebot der Schützen 1859 wegen des Krieges in Oberitalien. Ein Teil der Schützenkompanien des Bezirks Kaltern will die beim Ärar gefassten Schützenröckler nach Kriegsende nicht mehr abgeben. Auch 1848 und 1866 waren die Frangartner mit der Girlaner Schützenkompanie ausgerückt. Die Frangartner stellten am 1. Juni 1866 folgende wehrfähige Mannschaft vom 18. bis 50. Lebensjahr: Christian Schalfadori (= Salvador!), Baumann bei Carl Della Torre (= Carnerihof); Jakob Angerer, vulgo Tschurn-deller, Besitzer; Johann Santer bei Johann Schenk; Franz, Karl und Johann Tartarotti bei Eyrl; Paul Egger-Schasser bei Herrn Schasser, Franz Reiser bei obigem; Mathias Kasseroller auf dem Muggenbichl; Martin Mandl im Quartier bei obigem; Josef Mayr, Sohn, Söllenbaumann (Geighof); Bartlmä Kasseroller und Johann des Josef, Fischer; Augustin Anegg, Baumann bei Graf Gabriel Khuen (Pillhof) und ein Knecht bei obigem; Johann Ennemoser, Knecht bei Martin Pertoll; Josef Wolf, Baumann bei Graf Arz (Kreuzweghof); Johann Stolz, Knecht bei obigem; Josef Rohner, Besitzer, vulgo Sarner. Aber lassen wir die Zeitdokumente sprechen. So erfolgte am 3. Juni 1866 über Veranlassung des Defensionsausschusses die Offizierswahl. Darüber berichtete der Defensions-Chef Johann Niedermayran das k. k. Bezirkgericht Kaltern sehr anschaulich folgendes: „Da durch vorhergegangene Kundmachung es zu allgemeiner Kenntnis gebracht wurde, dass heute die Offizierswahl für den aufzubietenden Landsturm stattzufinden hat, so wurde heute 4 Uhr nachmittags mit türkischer Musik ums Dorf herumgezogen, um die wehrpflichtige Sturmmannschaft zusammen zu trommeln. Als eine bedeutende Anzahl derselben versammelt war, so wurde mit großen Jubel und Enthusiasmus für die gerechte Sache, Gott, Kaiser und Vaterland tapfer zu kämpfen, zur Wahl der Offiziere geschritten.“ Einstimmig wurden gewählt zum Hauptmann Josef Tschöll, Gastwirt in Girlan, zum Oberleutnant Carl Brigl, Weinhändler in Girlan, zum ersten Leutnant Johann Schmidl, Baumann des Klosters Neustift in Montiggl, zum zweiten Leutnant Alois Andergassen, Bauer in Girlan, diese beiden waren ausgediente Kaiserjäger. Die Landsturmrollen wurden genau geführt, daraus erfahren wir, dass Johann Mathä „wegen Stier“ dispensiert war, der Tischler Anton Delago „frei“ war und Josef Niedermayr, Oberdorf „soll einen Ersatz stellen oder zahlen“.
Nach den Siegen der Österreicher zu Wasser und zu Lande gegen die Italiener, werden die österreichischen Truppen rasch aus dem Veneto abgezogen, um die Kaiserstadt Wien vor den bei Königgrätz siegreichen Preußen zu schützen. Nun erfolgt das allgemeine Aufgebot des Landsturms, da die Garibaldiner bei Bezzecca in Judikarien eingefallen waren und die italienische Heereskolonne Medici aus dem geräumten Veneto durch Valsugan bis Vigolo di Vattaro bei Trient vorstieß. Der Kanonendonner war noch in Tramin zu hören. Im Spital in St. Pauls wurden viele österreichische verwundete Soldaten vom Arzt Dr. Josef Brigl versorgt. Mit den abziehenden österreichischen Truppen haben auch italienische Flüchtlinge das Veneto verlassen und lassen sich in Eppan nieder. Am 12. Mai schlug der Blitz in den Turm der Pfarrkirche in Kaltern ein und zündete. Als Sturm geläutet wurde, erschienen einige Kälterer mit Sensen und Heugabeln u. dgl. bewaffnet, um die Garibaldiner aus dem Lande zu jagen. Am 28. Mai rückt Militär in Eppan ein. Sie gehören dem Regiment „Erzherzog Rainer“ an und sind Landsleute von Salzburg und Oberösterreich und werden wegen ihrer musterhaften Haltung und Freundlichkeit mit viel Gastfreundlichkeit und Teilnahme behandelt. Plötzlich, am 21. Juni, abends, erhalten sie den Abmarschbefehl nach Italien. In Eppan wird auch der Landsturm aufgeboten und die Schützenkompanie formiert und vom Sturmhauptmann Graf Khuen befehligt. Bis zum Abmarsch wurde im Montiggler Walde und auf der Gand geübt. Am 1. August bricht die Schützenkompanie Girlan auf, um zusammen mit den Schützenkompanien von St. Pauls, St. Michael, Berg und Perdonig in Kaltern die Ausrüstung zu fassen, um auf dem Tonale eingesetzt zu werden.
Da kommt die Nachricht, dass der Waffenstillstand mit Italien verlängert worden und der Landsturm sistiert sei. Also linksum nach Hause, wo jeder einen Gulden in die Hand gedrückt bekommt.

 

 

WEHRLEISTUNG

 

Die Wehrleistung in Tirol war vielfältig und ging über Geworbene wie z. B. Landsknechte oder unter bayerischer Herrschaft das Tiroler Bataillon des Obersten Dittfurt, über Pflichtige Landesverteidiger seit dem Landlibell vom Jahre 1511, aber auch über Zwangsverpflichtete zur napoleonischen Zeit während der bayerischen und italienischen Herrschaft und unter Metternich bis zum allgemeinen Wehrpflichtigen und Freiwilligen in Milizverbänden. Sie war Ausdruck der jeweiligen Wehrverfassung Tirols, die das Wohl des Landes im Auge hatte und von Oswald Gschließer durchleuchtet worden ist.

 

 

AUFWERTUNG DER SCHIESSTÄNDE

 

Am 1. August 1866 konnte Graf Khuen in Eppan anordnen, den aufgebotenen Landsturm bis auf weiteren Befehl wegen des verlängerten Waffenstillstandes unverzüglich nach Hause zu entlassen. Am 26. August 1866 starb Graf Karl Khuen, jüngst erwählter Bürgermeister der Gemeinde Eppan und Major der Sturmmannschaft derselben Gemeinde, an den Blattern. Er war hoch geachtet und sehr beliebt bei der Bevölkerung der Großgemeinde Eppan, besonders bei den Schützen verehrt wegen seiner Gerechtigkeit und Friedensliebe. Nach der Neuregelung des Militärwesens im Jahre 1867 wurde jede Kompanie auf 150 Mann Stärke gebracht und jeder Eppaner musste wie im übrigen Tirol nach Absolvierung des Aktivdienstes noch weitere 15 Jahre zu einer dreiwöchentlichen Waffenübung beim Landesschützenbataillon „Oberetschtal“ in Meran einrücken, meistens im Jänner-Februar, während die Landsturmmänner in den k. u. k. Schießstand von Eppan als k. u. k. Standschützen ohne Rang einrolliert und in das dortige Matrikelbuch eingetragen wurden. Dem Schießstand steht 1868 Franz Mayr als Schützenmeister vor, der auch die Einrollierung vornimmt. Durch die Übungen am Schießstand konnte einer die Waffenübungen in Meran abkürzen. Nach Ableistung der gesetzlichen Wehrpflicht und mit Vorbehalt der gesetzlichen Landsturmpflicht vom 18. bis zum 60. Lebensjahr wurde dem entlassenen Schützen eine Urkunde, „der Landschützen-Abschied“ betitelt, vom Bataillonskommmando ausgestellt und überreicht.

 

 

FÄCHERUNG DER BERUFE

 

Nach den Standes-Ausweisen der Schützenkompanien von Eppan stammen 84% der Mannschaften aus dem Bauernstand, und zwar sind 40% Bauern und Bauernsöhne und 44%Knechte und Taglöhner, dagegen gehören 16% verschiedenen Berufen an, wie Studenten, Wirte, Schuster, Schneider, Tischler, Weber, Wagner, Binder, Metzger, Fischer usw. Die Fächerung der Berufe ist ein Index für die vorherrschende Agrarstruktur. Für die Randgebiete von Eppan wie etwa für Frangart oder Montiggl verschiebt sich diese Fächerung, z. B. in Montiggl gehören von 15 Schützen ganze 14 Mann dem bäuerlichen Milieu an als Besitzer, Baumann, Knecht oder Taglöhner und wo nur Josef Zeiger als Steinmetz aufscheint. Übrigens verfügt er als einziger in Montiggl über einen Stutzen. Insgesamt scheinen auf 216 Mann nur 11 eigene Gewehre auf, während immerhin in Girlan Josef Tschöll, Josef Datz, Karl Brigl, Josef Niedermayr am See, Georg Ratter, Fütterer bei Franz Brigl, Franz Sparer in der Lamm, die Brüder Ignaz, Franz und Johann Brigl sowie Josef Kofier über Stutzen verfügen, dagegen in Frangart niemand und in Schreckbichl nur Franz Lanzelin über ein Gewehr verfügt. Diese mussten nämlich beim Bezirksamt in Kaltern behoben werden. So schickte man am 20. Juni 1866 einen Wagen als Spannfuhrwerk nach Kaltern zur Gewehrübernahme. Vollzählig bewaffnet rückten am 26. Juni die Eppaner Schützen nach Kaltern aus zum Empfang S. k. Hoheit des Erzherzogs Karl Ludwig. Mit der Schießstandordnung vom 15. September 1874 wurde das Schützen- und Schießstandwesen den neuen Erfordernissen angepasst und geregelt, was sich für Tirol im Ersten Weltkrieg so großartig bewährte, als Italien in den Krieg gegen Österreich trat.
Über drei Jahre hielt die Südfront trotz Überlegenheit des Gegners an Menschen und Materialeinsatz. Das Heldenlied vom Ringen in Fels und Eis wird noch lange lebendig bleiben.

 

 

HOHER BLUTZOLL

 

Vom hohen Blutzoll, den die Gemeinde Eppan im Ersten und Zweiten Weltkrieg entrichtete, künden die vielen, vielen Namen auf den Kriegerdenkmälern. Die Gefallenen und Vermissten Tirols der beiden Weltkriege übertreffen aber um ein Vielfaches die 2176 gefallenen und toten Tiroler, die durch Feindeinwirkung in den Jahren 1796 bis 1814 ums Leben kamen.
Am Beispiel des kleinen Weilers Frangart sei das hier an den Gefallenen des Ersten Weltkrieges aufgezeigt.
Gasser Anton, T. K. J., * 2. 9.1888, vermisst 1914
Kasseroller Anton, 4. T. K. J. R, * 12. 8.1888, † 7. 9.1914 Galizien
Kasseroller August, 1. T. K. J. R., * 12. 9.1880, vermisst 1915 Russland
Kasseroller Paul, Unterjäg. 3. T. L. Seh. R., * 19. 9.1886, † 10.12.1914 Smerinsca
Kerschbaumer Josef, Land. St. Baon 164,* 1.12.1876, † 28.11.1917 Meletta, ital. Front
Klotz Jakob, T. K. J., * 1. 3.1880, † 13.10.1914 Wisow
Klotz Josef, Ltn. 3. T. K. J. R., * 17.1.1885, † 19.11.1914 Czaschow, Polen
Mederle Josef, T. L. Seh., * 25.10.1883, vermisst Mai 1915
Ohnewein Alois, 3. T. K. J. R., * 21. 12. 1890, † 19.11.1914 Glevica, Polen
Ohnewein Franz. Kan. Baon 202, * 23. 7.1885, † 5. 9.1918 Frangart
Pertoll Johann, 1. T. K. J. R., * 28. 2.1884, † 18.11.1914 Wronin, Polen
Sparer Franz, Unterjäg. Feldb. 18, * 7. 3.1887, † 11.1. 1915 Moskau
Ungerer Jakob, 2. T. K. J. R., * 16. 12.1892, † 27.12.1914 Neutra, Ungarn.
In ehrfürchtigem Gedenken verneigen wir uns vor den gefallenen Männern, vor dem Namen der Regimenter und den Orten des Einsatzes. Der Blutzoll des Zweiten Weltkrieges der Gemeinde Eppan, nun an den Söhnen und Enkeln, war aber nicht minder groß.

 

 

FOLGEN DES ZUSAMMENBRUCHES DER DONAUMONARCHIE

 

Der Zusammenbruch der Mittelmächte 1918 brachte die Besetzung Südtirols durch die italienischen Truppen. Wie im November 1809, so auch im November 1918 quartierten die Sieger ihre Truppen im Überetsch ein. In St. Pauls wird das 3. Bataillon des 36. Infanterieregiments der 1. Armee einquartiert, während in St. Michael das Kommando der Carabinieri Reali der 26. Division Quartier bezogen hat und in Girlan die 2115. Comp. mitr. m. unter Hauptmann Manfrini stationiert ist. Nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes vom 3. November 1918 in Villa Giusti bei Padua bis zum Einmarsch der Italiener am 7. November 1918 wurde das Ärarmagazin auf dem Schlosse Sigmundkron geplündert. In Pennen auf Ochsenwagen wurde in dieser Zwischenzeit alles Mögliche, vor allem Ärarschuhe, Leder, Uniformstücke, Unterwäsche und andere Sachen von den Bauern weggebracht. Die bewährte österreichische Ordnung und Disziplin war zusammengebrochen. Bis weit in die zwanziger Jahre hinein wurden die Knospen (Holzpantinen) der Kinder aus jenen Reserven hergestellt und eingeschwärzt.
Auf den Tag genau nach 109 Jahren, am 7. November 1918, hatte die Vorhut der feindlichen italienischen Truppen, von der Mendel kommend, Frangart und die Etschbrücke erreicht. Teile der 5. italienischen Division rücken in Bozen ein zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit, von verantwortungsbewussten Zivil- und Militärbehörden gerufen, da in der Stadt chaotische Zustände herrschten. Die Italiener besetzten gleich die strategische Linie Gries-Bozen-Girlan-St. Michael und St. Pauls, um die rückflutenden österreichischen Truppen über den Brenner zu leiten und um sie von dem Vinschgau abzuschneiden.

 

 

ÜBERLEBEN DES EPPANER SCHIESSTANDES

 

In den Freiheitskriegen 1796 -1813 war der Schießstand von Eppan stark besucht von den Schützen, aber auch von den Feinden. Eintragungen in französischer Sprache der Commissaire Vudoz und Dumas sprechen dafür, wie aus den Schießstandprotokollen hervorgeht. Die Schießprotokolle enthalten viele kulturgeschichtliche Angaben von landweiter Bedeutung und sind dazu noch eine Art Gradmesser für das Schützenwesen in Eppan, wie man dort lebte und leibte.
Sogar im Zusammenbruch und nach dem Ersten Weltkrieg, als das Sterben fast aller Vereine einsetzte, gelang es der Schießstandvorstehung, diesen Schießstand als wohl den einzigen damals auf dem Lande zu erhalten. Über die faschistische Organisation zur Freizeitgestaltung der OND (Opera Naziona-le Dopolavoro) blieb der Eppaner Schießstand voll funktionsfähig und Treffpunkt von Scheibenschüt¬zen aus ganz Südtirol.
Nach der kurzen Unterbrechung während des Zweiten Weltkrieges wurde das Scheibenschützenwesen in Eppan durch die Initiative des Malermeisters Anton Kaufmann und mit wohlwollender Förderung des Obersten Ferrari reorganisiert. Die vom Schützenwart Johann Meraner mit Umsicht betreuten Festschießen fanden Zuspruch aus nah und fern und erfreuten sich größter Beliebtheit im ganzen Lande und wurden genau so wie vor Jahrhunderten zu Faktoren der Geselligkeit und sind heute noch besser und großartiger unter der jetzigen Leitung ausgebaut.
Ähnlich in der Form, aber verschieden in der Substanz überlebten die Musikkapellen, die einerseits die Machthaber brauchten, zum anderen aber in der Freizeitgestaltung der OND ein Ventil zum Überleben geboten bekamen. Ein Ausweichen gab es nur in die Vereine, die von der Kirche geleitet waren und somit in ihren Tätigkeiten durch das Konkordat geschützt wurden.

 

> Weiter: Eppaner Schützenlied aus dem Jahre 1848