17. Jahrhundert

 

SCHÜTZENTRACHT UND BESTE

 

Im Jahre 1607 erhalten die Innsbrucker Schützen neue „Röcklein“. Der Entwurf dazu oder in unserer modernen Sprachweise das Modell, stammte aber weder von Fath oder Dior in Paris, noch vom Maestro Emilio in Rom, sondern war vom ehrsamen Innsbrucker Stadtschreiber Georg Müller entworfen worden.

Die Röcklein waren von drei Schneidern aus‘ „rot und weiß wullen duech“ mit Verzierungen nach Angabe des Malers Georg Feilengiebel hergestellt worden.
Bereits 1460 hatte Herzog Sigmund, den Büchsenschützen zu Innsbruck das Tuch um ein Paar Hosen auszuschießen bewilligt; diese Vergünstigung einer Hosentuchgabe wurde 1500 vom Kaiser Maximillian ihnen erneuert. Solche Hosentuchbeste waren überall sehr beliebt. Als Kaiser Maximillian 1501 in Bozen weilte, führten die Bozner Schützen bei ihm mit Erfolg Klage, weiß K. Th. Hoeniger zu berichten, dass ih¬nen die vormals alljährlich als Best zum Ausschießen von Hosen gespendeten drei Stück Loferer Tuch vom landesfürstlichen Amtmanne vorenthalten wurden. Im Jahre 1511 wurden nicht weniger als 22 Paar ehrsame Schützenhosen in Bozen ausgeschossen; sie dienten vermutlich zu einer einheitlichen Uniformierung der Schützen.
Welchen Wert manchmal Hauptfeste hatten, können die Leser aus dem Hinweis ersehen, dass z. B. 1655 das Fastnachtsschießen in Innsbruck mit einem Ochsen, 18 Zentner und 75 Pfund schwer, als Haupt-best eröffnet wurde. Beim großen Schießen in Bozen vom Jahre 1594, das vom 22. Mai bis zum 12. Juni währte, wurden als Hauptbeste ein silbervergoldeter Kredenzbecher im Werte von 200 Gulden, gestiftet vom Bozner Christoph Mayr, sowie vier kleinere Silberbecher und ein goldener Ring mit Rubinsteinen ausgeschossen. Weit bescheidener waren die Hauptbeste am Schießstand von Eppan; Kranzltaler, Gnadentaler, Rehböcke, Gstraune und fette Gänse zu Martini waren meistens die Beste, die im Laufe des Jahres mit viel Freude ausgeschossen wurden. Manchmal fanden sich auch Gönner, die einen Dukaten springen ließen oder sonstige hochherzige Beste stifteten.

 

 

FREISCHIESSEN IN GIRLAN

 

Am 13. Mai 1725 wurde in Girlan ein Freibest ausgeschossen, wozu Anton Kazler von Bozen zwei Spezies-Taler und Johann Georg Ganser, Wirt und Gastgeb am Weißen Rössl in Girlan, einen Taler und Martin Mayr von Bozen einen Spezies-Taler „im Kranzl zu erschießen“ spendierten. Zu diesem in Girlan abgehaltenen Freischießen waren erschienen mit Tambour und Pfeifer Ihro Hochgräfliche Gnaden, der Herr Unterschützenmeister Joseph Karl Khuen, dann vom Adel die Herren von Schulthaus, von Feldern, von Rotenpuech, von Grustner, von Schrentewein, die geistlichen Herren Freytag und Ganser, der berühmte Dr. Storch, dazu noch die Schützen Anton Prigl, Johannes Mesner, Christoph Eck, Leonhard Prigl, Jakob Toll, Joseph Zuppler, Anton Kazler, Joh. Georg Ganser, Martin Mayr, Hofmann, Jos. Ant. Ringler und Jos. Mayr.
Die Unkosten bei dieser einmaligen Volksbelustigung mit Musikbegleitung in Girlan beliefen sich für den Schreiber auf 40 Kr. für den Zieler auf 51 Kr. für den Aufwarter auf 24 Kr., für den Tambour und den Pfeifer auf einen Gulden und für eine Scheibe auf 30 Kreuzer.

 

 

… UND AM KALTEN KELLER

 

Nicht nur am adeligen Schießstand in St. Michael, auch in Girlan, besonders aber an den heißen und schwülen Überetscher Sommertagen wurde das Schießen am so genannten Kalten Keller ausgetragen. Dieser Kalte Keller befindet sich am Stroblhof und steht heute unter Denkmalschutz. In einer höhlenartigen Vertiefung, die als Keller und in früheren Zeiten als Kühlraum für Fleisch von den Eppaner Metzgern benützt wurde, werden eiskalte Luftströmungen wirtschaftlich ausgenützt, die syphonartig aus den riesigen Gandlammern dort mit Gewalt an die Oberfläche dringen. Oberhalb des Stroblhofes befindet sich heute noch ein Schießstand, auf Fuchseben.
So wurde öfters im Monat Juli 1721 am Kalten Keller unterm Berg zu St. Michael im Gerichte Altenburg ein Schießen ausgetragen, zu welchem am 18. Juli 1725 der Weinaufschlag-Geldeinnehmer an der Obern und Untern Etsch Georg Heinrich von Rotenpuech als ältester Schütze im Gerichte Altenburg zu seinem 65. Geburtstag vier Spezies-Taler zu einem kleinen Best nebst einem Spezies-Taler samt der Blum im Kranz spendierte, damit die Schützen „zu ainer greßeren Lieb und Fortsetzung solcher Riterlicher Exercitii veranlast werden.“ Für ein Bestschießen am Kalten Keller stiftete am 22. Juli 1725 der hochedle gestreng auch hochgelehrte Herr Johann Baptista Sebastian Storch, Medicinae Doctor, ein Best, bestehend aus drei Spezies-Talern samt einer schönen Blume zum Kranzl in der Tragscheibe, außerdem ein schönes Besteck, Messer, Gabel und Löffel von Silber im Werte von 10 Gulden zu einem Best in der Schleck- oder Glückscheibe. Dieses großzügige Best wurde unter Teilnahme von 27 Schützen ausgeschossen. Ein ähnliches Best von drei Spezies-Talern in der Blume spendierte am 12. Juli 1730 der Regimentsrat Joh. Dominikus Damoin von Malme und Walkenhofen, das am Kalten Keller ausgetragen wurde; zum nächsten Schießen spendierte dieser Schützen-Mäzen einen Bock und in dem „Geheng 2 Spezies-Taler“, in der Blume aber 24 Siebener. Um den Regimentsrat Damoin zu ehren, spendierten ihrerseits die Herren und Schützen vom Gerichte Altenburg ein ähnliches Best.

 

 

WEITERE BEST-SPENDEN

 

In der drolligen Schreibweise des 18. Jahrhunderts, die ich hier beispielsweise bringe, wird in Girlan, vermutlich nach einer guten Ernte, am 12. November 1730 ein Best spendiert. „Zumahlen sich das Wimath allgemach vollendet und man das Gemüeth widerumben mit ain oder anderer Ergötzlichkeith Erlustigen darf, als hat sich der wohl Ehrwirdige Herr Johann Baptista Pasi, Priglischer Benefiziat in Girlan anerbotten, zur Aufmunterung als auf den 12. Nov. dies ain Frey Pöstl allen Herren und Schizen zu Lieb herzugöben, so in ein gehornete Castraun und 2 Species Tallern sambt einer Bluemb und ainfacher Taller bestehet. Ain Stöckscheiben wird als Morgen den 13. dies, wo immer möglich aufgehengt werden um 12 Uhr.“ Als im Juli 1756 die Gnadentaler ausgingen, stiftete der Schützenmeister Johannes Matthias Thalhammer von und zu Talegg einen Dukaten als Best und einen Gulden dreißig Kreuzer zum Kranz mit der Begründug, „umb damit der Löblichen Schießstantt in mererer Flor gebracht werden und die Herren und Schizen das meyerliche Kränzl schießen vorzuhalten gepunden sein sollen.“

 

 

ZWISCHEN WELTLUST UND WELTABKEHR

 

In Eppan war im Jahre 1638 mit Einwilligung der Erzherzogin Claudia de‘ Medici ein Kapuzinerkloster errichtet worden mit einer Kirche, die 1662 eingeweiht wurde. Die Grundstücke zu dieser Klosterniederlassung schenkten Karl Graf Fuchs von Fuchsberg und Balthasar von Lanser.
Bei der allgemeinen religiösen Erneuerung und Rückbesinnung auf die katholischen Werte nach dem Trienter Konzil, waren es vor allem die Kapuziner, die mächtig beitrugen, den Hang zur religiösen Verinnerlichung im Volke voranzutreiben. Die Epoche, welche von der Kunst her als das Barock bezeichnet wird, weist im Großen gesehen, typisch mittelalterliche Züge auf. Die Macht der Kirche, die Macht des Herrschers in der Regierungsform des Absolutismus, die Wiedergeburt des Ritterstandes als Hofadel und dessen erstarkender Einfluss, die äußerliche Prunkentfaltung bei Hofe und in der katholischen Kirche, das ständige Schwanken zwischen Weltlust und Weltentsagung, überhaupt die ganze Weltanschauung und Lebenshaltung, angefangen von der Kleidung bis zum weit ausholenden Gruß, sind Merkmale dieser Zeit. Und so ist es auch nicht verwunderlich, wenn z. B. es dem Kapuzinerpater Angelus von Bamberg gelingt, im Jahre 1642 die Schützen von Lana zu überreden, ihren Schießstand weniger weltlichen Genüssen zuzuführen und eine Marienkirche daraus zu machen. Die ursprüngliche Maria-Hilf-Kirche von Lana wurde aber bereits 1647 von der Falschauer weggerissen, sie wurde aber kurz darnach von der Gemeinde wieder aufgebaut und trägt heute den Namen Johannis-Kirche. Otto Stolz berichtet, im Jahre 1671 ersuchten die Kapuziner in Eppan, dass die unmittelbar bei ihrem Kloster neu erbaute, ihr Leben störende „Schießhitten“ entfernt werde. Die o.-ö. Regierung befahl, dass „Adel und Gemain zu Eppan und die Schizen dortselbst das Schießhaus und die Schießstatt verlegen“ und bewilligte der „Schießgesellschaft“ hierzu einen Beitrag von 200 Gulden aus den Strafgeldern der „Wildpretschizen“. Aber die Eppaner Schützen waren hartgesottenere Lötter oder Zöch, wie es so blumenhaft in der Lananer Mundart klingt, als jene von Lana. Der Schießstand blieb und langsam gewöhnten sich auch die Kapuziner an diese volkstümliche tirolische Wehreinrichtung, die somit für das Überetsch für das 17. Jahrhundert beurkundet ist. Und ging nicht aus den Reihen der Kapuziner dann ein Joachim Haspinger hervor?

 

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