Tiefe Religiosität – Selbstdisziplin − Prinzipien

Eine der Charaktereigenschaften, die Sepp Kerschbaumer besonders prägte, war sein starker
Glauben. Er fuhr täglich mit seinem Fahrrad oder dem Motorrad nach Bozen und besuchte
dort um fünf Uhr früh die hl. Messe. Gerne verbrachte er auch Zeit im Bozner Dom vor dem
historischen Herz-Jesu-Bild, und der Rosenkranz spielte in seinem Leben eine ganz
besondere Rolle. Später im Gefängnis stellte er sogar selbst Rosenkränze aus Spagat her.

Ein weiteres typisches Merkmal Kerschbaumers war seine Strenge sich selbst gegenüber. So
beschloss er eines Tages plötzlich, keinen Alkohol mehr trank zu trinken. Ebenfalls aus Prinzip
kam ihm nie ein Fluchwort über die Lippen.
Seine eiserne Disziplin ermöglichte es ihm aber auch, öfters in den Hungerstreik zu treten −
einmal sogar ganze 23 Tage lang. Der Hungerstreik war für ihn ein adäquates Mittel, um
politische Forderungen oder Proteste auszudrücken.

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Sparsamkeit und Freigiebigkeit

Kerschbaumer fühlte sich für das Überleben der deutschen Minderheit in Südtirol verantwortlich. Im Kampf um mehr Rechte war er ständig unterwegs, um Gespräche mit Politikern in Südtirol und in Österreich zu führen. Er forderte die Parteileitung der Südtiroler Volkspartei – damals die einzige deutsche Partei in Südtirol – immer wieder auf, in Rom mehr Rechte einzufordern, und er versuchte die Öffentlichkeit mit Flugzetteln und Leserbriefen zu überzeugen, dass es notwendig ist, sich zu wehren. Dafür brachte er viele Opfer, aber er forderte dies auch von seiner Familie. Schließlich ließ er sich sogar überzeugen, zu Sprengstoff zu greifen, um Zeichen zu setzen − aber immer unter der Bedingung, keine Menschenleben zu gefährden.

 

Die Frangarter Kirche spielte für den Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer eine wichtige Rolle. Er war tief religiös und besuchte regelmäßig den Gottesdienst und Andachten.

Hier empfingen auch er selbst und seine sechs Kinder die Sakramente der Taufe und der Erstkommunion.

Als Kerschbaumer nach der Feuernacht in Haft war, beauftragte er seine Frau, den Jahresertrag einer Wiese für das Kirchendach zu spenden; dies lehnte der Pfarrer jedoch ab.

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Sorgen und Ängste in der Bevölkerung

Obwohl der Faschismus mit Kriegsende offiziell zu Ende war und Südtirol 1948 das Erste Autonomiestatut erhalten hatte, das den Schutz der Deutschen und der Ladiner in Südtirol hätte garantieren sollen, ging es hier fast gleich weiter wie unter dem Faschismus.

Immer noch konnte auf den Ämtern kaum und im Gericht gar nicht Deutsch gesprochen werden. Die öffentlichen Stellen und die Arbeitsplätze in der Bozner Industriezone wurden fast ausschließlich an Italiener vergeben, vor allem aber wurden die Südtiroler nach wie vor vom Staat drangsaliert und extrem benachteiligt. Sehr viele hatten berechtigte Angst, dass in Südtirol die deutsche Minderheit nicht überleben könnte.

Haftstrafe fürs Fahne Hissen

Wie unter dem Faschismus, war es auch in den 50er und 60er Jahren unter Strafe verboten,
die Tiroler Fahne zu hissen. Wie viele andere auch, ließ Sepp Kerschbaumer deshalb aus
Protest Dutzende Fahnen nähen und auf Hochspannungsmasten und hohen Bäumen aufziehen. Für den Fahnenstoff soll er große Summen Geld ausgegeben haben. Am Andreas-
Hofer-Sonntag 1957 beflaggte Kerschbaumer den Frangarter Kirchturm und stellte ein Bildnis des Helden von 1809 auf.

Die Folge waren 10 Tagen unbedingter Arrest. Aus Protest trat er in den Hungerstreik und hielt ihn alle 10 Tage lang durch. Dieser Mut und diese Zivilcourage scheint viele sehr beeindruckt zu haben: Zur Freilassung bereiteten ihm die Frangarter ein regelrechtes Volksfest. Von der Parteileitung der SVP erhielt er zu seiner Heimkehr sogar eine Gedenktafel mit folgender Widmung: „Dem begeisterten Verehrer unseres Volkshelden Andreas Hofer in alter Treue und Anhänglichkeit“.

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Das politische Engagement nimmt zu

Im Laufe der 50er Jahre verschrieb sich Sepp Kerschbaumer immer mehr der Politik: Er
schrieb in großer Anzahl Briefe und Flugzettel, führte fast täglich Gespräche mit Politikern und
fuhr häufig nach Österreich. Wenn auch seine politische Heimat bis zum Schluss die Südtiroler
Volkspartei blieb, so kritisierte er immer wieder deren nachgiebige Gangart in der
Volkstumspolitik.

Kerschbaumer wurde nach und nach verbitterter, da er mit ansehen musste, dass sich der
italienische Staat und seine Behörden in Südtirol nahezu alles leisten konnten, obwohl der
Faschismus offiziell schon längst vorbei war. Verhöhnungen, Diffamierungen und Störaktionen
gegenüber deutschsprachigen Südtirolern standen auf der Tagesordnung. Von einer
Gleichberechtigung der Sprache auf den öffentlichen Ämtern konnte keine Rede sein – obwohl
sie schon im Pariser Vertrag von 1946 vorgesehen war. Außerdem war den Südtirolern der
Zugang zu Staatsstellen und Sozialwohnungen fast zur Gänze verwehrt.

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Die Kundgebung von Sigmundskron

1957 gab es aber ein politisches Ereignis, das für viele der künftigen Freiheitskämpfer ein
Fanal war. Damals kündigte der Minister für Öffentliche Arbeiten, Giuseppe Togni, dem Bozner
Bürgermeister in einem Telegramm mit, dass in Bozen ein neuer Stadtteil mit 5000 Wohnungen
für weitere Zuwanderer aus Süditalien errichtet werden sollte.

Das brachte die Volksseele zum
Kochen. Daraufhin kam es auf Schloss Sigmundskron am 17. November 1957 zu einer
Demonstration, auf der über 35.000 Menschen teilnahmen – ein Ereignis, das auch in der
internationalen Presse Niederschlag fand. Vor der Kundgebung war Sepp Kerschbaumer Tag
und Nacht im Einsatz, um diese Veranstaltung mitzuorganisieren. Von ihm stammt auch ein
Flugblatt, das auf der Kundgebung verteilt wurde.

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Flugblätter

Kerschbaumers Flugzettel sind ab Februar 1958 mit dem Kürzel „BAS“ signiert. BAS
bedeutete zunächst „Befreiungsaktion Südtirol“, bis sich schließlich die Bezeichnung
„Befreiungs-Ausschuss-Südtirol“ durchsetzte. Die SVP, die lange Zeit überhaupt keine Ahnung
hatte, wer hinter diesem Kürzel stand, befasste sich sogar in der Parteileitung damit – und
distanzierte sich davon.

Dabei äußerste Magnago die Sorge, dass auch Exponenten der SVP
involviert seien. Dann hätte nämlich die Partei „nichts als Spesen und Familien zu erhalten,
und viele Leute, die im Kerker sitzen“. Später waren ihr freilich SVP-Funktionäre und deren
Familien gleich – auf Unterstützung hofften die Häftlinge umsonst.

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